DFB-Pokal: „...und er schießt gegen diese Augen“

Im Halbfinale 1998 schoss sich der MSV nach 22 Elfmetern in Trier ins Finale. Das Protokoll eines historischen Pokalabends.

16.500 Fans waren am 18. Februar 1998 im ausverkauften Trierer Moselstadion beim Halbfinale zwischen Eintracht Trier und dem MSV Duisburg dabei. Millionen Zuschauer saßen am TV-Gerät und verfolgten mit ZDF-Reporter Rolf Töpperwien das historische Elfmeterschießen.

Wir haben den Verlauf mit den Originalkommentaren Töpperwiens nachgezeichnet. Nach 120 Minuten hatte es 1:1 gestanden. MSV-Keeper war Thomas Gill, für den Regionalligisten Trier hielt Daniel Ischdonat. Schiedsrichter war Hermann Albrecht aus Kaufbeuren.

Vorspiel: „Sie haben es eben in den Interviews gehört. Duisburg hat keine Elfmeter geübt, Trier hingegen sehr wohl. Aber der MSV hat in Michael Zeyer den besten Elfmeterschützen der Bundesliga. In dieser Saison hat er fünf Mal getroffen bei fünf Versuchen.“

1. Elfmeter: „So, noch mal kräftig durchatmen. Ischdonat beschwört den Ball, will ihn gar nicht mehr herausrücken. Und der erste Duisburger, der den weiten Weg zum Punkt geht, ist Michael Zeyer. Sie gehen also gleich auf Nummer Sicher und bringen ihren besten Schützen. Wir fangen bei Null an mit der Zählung. Zeyer gegen Ischdonat! Tor, 1:0 für den MSV.“

2. Elfmeter: „Jetzt kommt Dirk Fengler, der Mann, der die Verlängerung erst ermöglichte. Thomas Gill gegen Fengler. An die Latte! An die Querlatte. Ein Wort, vier Buchstaben: Pech.“

3. Elfmeter: „Der MSV Duisburg mit dem zweiten Schützen: Alexander Popowitsch. Tor, Ischdonat flog ins richtige Eck, flog aber zu kurz.“

4. Elfmeter: “Rudolf Muchka: Tor. Vier Schützen sind durch, 2:1 für den MSV Duisburg.“

5. Elfmeter: „Jörg Neun: Sicher verwandelt. 3:1.“

6. Elfmeter: „Mikael Smirnow. Es ist ganz still im Stadion. Sehen Sie die Augen von Gill, als wenn er den Ball magnetisch anziehen wollte. Tor. 3:2 – und jede Mannschaft hat noch zwei Schützen.“

7. Elfmeter: „Der nächste Schütze der Duisburger ist Niklas Skoog. Tor. 4:2. Und Friedhelm Funkel schaut überhaupt nicht zu bei diesem Elfmeterschießen. Er dreht sich ab, er kann es wohl nicht ertragen.“

8. Elfmeter: „Dieser Mann, Thomas Richter, der muss verwandeln, sonst ist das Spiel gelaufen. Tor. 4:3.“

9. Elfmeter: „Die beiden letzten Schützen. Verwandelt jetzt Torsten Wohlert, dann ist der MSV in Berlin. Weiter, weiter Anlauf. Und: Gehalten! Gehalten von Daniel Ischdonat. Meine Herrn, was ist hier los? Ischdonat hält und Trier jubelt, als hätten sie gewonnen, aber so weit ist es ja noch gar nicht. Es steht 4:3 für den MSV und der letzte Schütze von Trier muss jetzt erst mal egalisieren.“

10. Elfmeter: „Und der letzte Schütze für Trier ist Milosevic. Vitomir Milosovic. Er muss verwandeln, dann geht es weiter, sonst ist es aus. Er verwandelt, es geht von vorne los.“

Zwischenspiel: „Es wird weiter geschossen, bis zur Entscheidung. Schauen Sie sich das Gespräch unter Kollegen an. Ischdonat und Gill. Schauen Sie in die Augen von Gill, ich weiß nicht, ob er weiß, was jetzt abgeht. Weitere Schützen müssen benannt werden. Das ist ein Pokalspiel der ganz besonderen Art. Und die Stadionuhr zeigt an: es ist 23 Uhr.“

11. Elfmeter: „Für den MSV Duisburg kommt jetzt Carsten Wolters. Jetzt kommen die Spieler, die sich eben nicht getraut haben. Die sich nicht freiwillig gemeldet hatten, unter den ersten fünf dabei zu sein. Jetzt kommen die, mit dem schwachen Nervenkostüm. Der erste ist Wolters. Tor. 5:4 für den MSV.“

12. Elfmeter: “Jetzt gibt es nur die Einzelentscheidung. Jetzt muss Bennij verwandeln. Schafft er es nicht, ist das Spiel aus. Der Marokkaner Aziz Bennij. Wenn er jetzt anfängt zu grübeln, wird es nichts. Ist das die Entscheidung im Moselstadion? Bennij und Tor. Es geht weiter. Und er kann kaum mehr laufen. Wadenkrampf, meine Herrn.“

13. Elfmeter: „Es kommt der nächste: Slobodan Komljenovic gegen Daniel Ischdonat. Die Dramatik nimmt ihren Lauf. Tor. 6:5 für den MSV Duisburg.“

14. Elfmeter: „Jetzt kommt Sven Teichmann. Ich hoffe nicht, dass Sven Teichmann dieses Spiel zu Ungunsten von Eintracht Trier entscheidet. Nicht, weil ich parteiisch bin. Sondern weil Teichmann mir vor dem Spiel gesagt hat, er hat Angst vor dem Fliegen. Das heißt, er müsste, wenn Trier nach Berlin kommt, das Auto nehmen. Sven Teichmann: Tor oder Aus. Tor! Er will doch fliegen.“

15. Elfmeter: „Und der nächste Duisburger ist Dietmar Hirsch. Tor. 7:6. Ihm fällt eine Zentnerlast von der Seele.“

16. Elfmeter: „Jetzt kommt der beste Trierer, Werner Heinzen. Der Mann mit dem riesigen Aktionsradius und dem enormen Laufpensum. Es geht um die Reise nach Berlin. Tor oder Aus. Tor, es geht weiter. 7:7 – und noch 54 Minuten bis Mitternacht.“

17. Elfmeter: „Thomas Puschmann für den MSV. Ganz langer Anlauf. Tor. 8:7 für die Zebras.“

18. Elfmeter: „Das kann kein Regisseur in einem Drehbuch besser festhalten. Jetzt kommt Rudi Thömmes, den man in Trier den Pokalhelden nennt. Ich will es nicht beschreien. Er hat sich bislang gedrückt, er wollte nichts zu tun haben mit diesem Elfmeterschießen. Rudi Thömmes. Und er macht das Tor. Das ist ja nicht zu fassen. Rudi Thömmes, kalkweiß. Er wollte nicht schießen und er schießt gegen diese Augen. Da hätte ich vor lauter Angst daneben geschossen. 8:8.“

19. Elfmeter: „Haben wir denn überhaupt noch Elfmeterschützen? Müssen etwa schon die Torhüter ran? Nein, Emmerling kommt erst. Ein Spiel, das in die Analen des DFB eingehen wird. Ich hatte mal ein Elfmeterschießen: SV Sandhausen gegen VfB Stuttgart. Das ging 15:14 für Sandhausen aus. Aber dieses steht 8:8 und hier geht es um die Fahrkarten zum Endspiel nach Berlin. Und Stefan Emmerling versucht den MSV nach vorne zu bringen. Er trifft. Die Faust von Ischdonat fliegt am Ball vorbei.“

20. Elfmeter: „Ermin Melunovic. Der Boden rund um den Elfmeterpunkt ist völlig aufgeweicht. Und Tor. 9:9. Hier ist noch lange nicht Schluss.“

21. Elfmeter: „Jetzt kommen die Torhüter? Ich weiß es nicht. Hat Gill jetzt zu Albrecht gesagt: Ich? Thomas Gill hat bereits einmal einen Elfmeter verwandelt. Nämlich im UI-Cup gegen Moskau. Er versteht was von dieser Prozedur. Das ist nicht zu steigern. Gill gegen Ischdonat. Er hat ihn fast gehalten, aber nur fast. 10:9 für den MSV durch Thomas Gill.“

22. Elfmeter: „Und jetzt Daniel Ischdonat. Fragen Sie mich nicht, wie es weiter geht, wenn Ischdonat auch verwandelt. Er schießt daneben – und das Spiel ist aus. Meine Güte. Gratulation an den MSV, Riesenkompliment an Eintracht Trier. Das Spiel ist aus. 10:9 nach Elfmeterschießen gewinnt der MSV Duisburg im Trierer Moselstadion und das ganze Stadion applaudiert beiden Mannschaften. Dieser Fight hat keinen Verlierer verdient. Aber es muss halt einen Sieger geben, und der heißt MSV Duisburg. Der MSV spielt am 16. Mai im Berliner Olympiastadion gegen den FC Bayern München.“

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